Hingeguckt #010 – Spieglein, Spieglein ist die Wand.

Man findet es an fast jedem Ort dieser Welt und man sieht es täglich, obwohl es gar nicht vorhanden zu sein scheint: Glas. Ist es klar, schaut man hindurch und erkennt die Welt, ist es verspiegelt, erkennt man sich selbst. Mit Glas als Baustoff verhält es sich allerdings oft wie mit dem Wein trinken: ein Glas ist gut, zu viele Gläser … Sie wissen schon. Und wenn wir schon beim Wein sind: in Ansbach wollte man zwar nicht Wasser in Wein verwandeln aber ein „Haus der Volksbildung“ in ein Theater. Dazu musste zusätzlicher Raum geschaffen werden, weil zwischen den Auftritten der Mimen auf der Bühne der Auftritt des Publikums schließlich auch eine Bühne braucht. Also erhielt der Bau aus der Vorkriegszeit bei einem durchgreifenden Umbau 2001-2003 eine Glasfassade vorgeblendet. Ein genialer Coup des Münchner Architekten Hein Goldstein, denn so entstand eine wunderbare Zugewinngemeinschaft von Theater und Schloss. Das Schloss muss keine lästige architektonische Konkurrenz aushalten und das Theater kann auf eigene Prachtentfaltung verzichten, da ihm diese vom Gegenüber als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt wird. Aber geht es da nicht um mehr als um Oberflächlichkeiten? Als edelfedriger Feuilletonjournalist sähe man natürlich sofort, dass dieser brillante Einfal von nichts anderem als Bertolt Brechts Prinzip der Verfremdung beseelt sein kann. Wie genial ist das denn? Dem protzenden Feudalzeitalter wird die Maske vom Gesicht gerissen, indem diese als ihr eigenes Zerrbild erscheint!  Damit könnte zwar alles klar sein, aber – Vorsicht ist angesagt – ein weiteres Mal empfiehlt es sich, auf Brechts Worte zu achten: „wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen“.  

PS: das untere Bild zeigt den Ursprung des Spiegelbildes, die Hauptfassade der Ansbacher Residenz, die sich übrigens nicht zufällig von der Stadt abwendet. Sie ist in ihrer Hauptsache ein Werk des leider zu wenig geschätzten, aus dem Misox stammenden Gabriel de Gabrieli aus den 1710er Jahren. Was sie mit der neuen Theaterfassade verbindet, ist der Umstand, dass auch sie einem bestehenden Bau vorgeblendet worden ist! Die bei den Ansbachern nicht durchgängig beliebte Pferdeplastik im Vordergrund trägt den Namen „Anscavallo“ und ist ein Werk des mittlerweile 82jährigen Bildhauers Jürgen Goertz aus dem Kraichgau.

Wer mehr über Ansbach, das Rokoko und die Geschichte dieser Hohenzollernresidenz erfahren möchte, lese entweder unten weiter oder/und schließe sich unserer Reise …. Nach Ansbach und Umgebung an. 

Bildquelle: ® Thomas Huth