Hingeguckt #011 – Alle Neune oder Wie kreativ die Wohnungsnot macht.
Frankfurts Wohnungsnot führt zur Mobilisierung sämtlicher bewohnbarer Ressourcen. Und es wird vor nichts haltgemacht. Das jüngste Objekt dimmobilientechnischen Verwertungseifers war der Eschenheimer Turm. Der stolze Turm aus dem Baubüro Madern Gerthners, der einst errichtet worden war, ungebetene Besucher abzuwehren, beherbergt heute gebetene Besucher, die sich das Bewohnen eines städtischen Alleinstellungsmerkmals leisten können. Die Schattenseite dieses wunderbaren Projekts war natürlich im wahren Wortsinn die weitgehende Fensterlosigkeit des Turms. Zum Ausgleich dieses Mankos erhielt der Turm pro Geschoss einen Balkon mit bestem Ausblick auf die Große Eschenheimer Straße, die Katharinenkirche und die legendäre Leuchtreklame der Detektei Tudor, hinter der die ebenso legendäre Sexarbeiterin Rosemarie Nitribitt unfreiwillig vom Diesseits ins Jenseits wechselte. Der Frankfurter wird sich, mental biegsam wie er nun mal ist, auch an diese neue Melange aus alt und neu gewöhnen und sie bald als geglückte Verbindung von Tradition und Fortschritt preisen. Das wahrhaft Sensationelle aber ist, dass einst ein gewisser Hans Winkelsee im besonders strengen Borkenkäferjahr 1550, um der Todesstrafe als verurteilter Wilddieb zu entgehen, in Kunstschützenmanier wie zuvor angekündigt mit 9 Schüssen 9 Löcher in die Wetterfahne des Turmes schoss, womit er nicht nur sein Leben rettete, sondern auch die Zahl der späteren Miniatureigentumswohnungen im Turm voraussagte. Man möchte es kaum glauben, aber unsere Bilder lügen nicht ….