Hingeguckt #014 – Blau gemacht

„Romantik ist, wenn es romantisch ist“, lautete die sicher zutreffende, aber nicht hilfreiche Definition meines Vaters. Nicht wenige würden wohl zustimmen, wenn man ein opulentes Abendessen bei leiser Musik und Kerzenlicht als romantisch bezeichnete. Tatsächlich fällt das aber unter die Rubrik „Vorspiel“, oder Ernährung oder Strom sparen. Was aber ist denn nun Romantik wirklich? Auf diese Frage versucht seit einigen Tagen das Deutsche Romantik-Museum neben dem Goethehaus Antworten zu geben. Ausgehend von Autographen verschiedener ausgewiesener Romantiker wie beispielsweise Clemens Brentano, Joseph von Eichendorff oder Novalis inszeniert das Museum romantische Weltsichten, die so vielfältig sind wie die Charaktere ihrer Autoren, aber eines gemeinsam haben: ein Misstrauen gegen die allzu verstandesgläubigen Aufklärer und ihre Vorstellung, alles erklären und beherrschen zu können. Des Romantikers Leben ist eine ständige Suche nach dem Unverdorbenen, dem Ursprünglichen, vielleicht dem Wahren, aber auf jeden Fall dem Geheimnisvollen und letztlich Unergründlichen. So ist der Weg das Ziel und Unvollkommenheit kein negativ zu wertender Makel sondern vielleicht sogar positive Abweichung von der Norm. Und der Weg als Ziel garantiert das unbedingte Erreichen desselben.

Die Welt der Romantik hat hier erstmals ein eigenes ihr allein gewidmetes Museum erhalten und es steht in einer Stadt, die so „unromantisch“ ist wie kaum eine zweite in Deutschland. Wenn das nicht wahrhaft romantisch ist?

Aber nicht nur die Exponate des Museums künden vom Geist dieser Epoche, auch ihre architektonische Hülle ist steingewordene Romantik. Der Museumsbau Christoph Mäcklers, der mit seiner Fassade zum Großen Hirschgraben drei einzelne Häuser vortäuscht, ist in seiner Asymmetrie, seinen scheinbar willkürlich ausgestanzten Fensteröffnungen und seinen unterschiedlichen Farbgebungen geradezu ein Guerillero gegen die in Frankfurt aktuell dominierende gewinnmaximierende und geschmacksminimierende Rasterarchitektur mit Tristessegarantie.

Wer die Fassade aufmerksam betrachtet, dem wird die von rechts unten nach links oben ansteigende Anordnung der Fenster auffallen. Ihr folgt im Inneren der Lauf der Treppe, der „Himmelstreppe“. 66 Stufen dauert auf ihr die Reise vom dunklen Blau, das die Romantiker so liebten, zum Licht aus geheimnisvoller Quelle. Man kann sich diesem Licht nähern, aber wirklich erreichen kann man es nicht. Aber wozu sollte man das, wenn der Weg doch das Ziel ist?