So lautete die Empfehlung des Gutachtens für die Restaurierung der Pfarrkirche Sankt Mauritius in Wiesentheid im Jahr 1894. Das 19. Jahrhundert wäre nicht das 19. Jahrhundert gewesen, wenn es solche Empfehlungen beherzigt hätte, führte doch Kaiser Wilhelm II. die Nation „herrlichen Zeiten“ entgegen und in solch herrlichen Zeiten waren Erinnerungen an bescheidenere Zeiten nicht erwünscht. Immerhin hat man sich in Wiesentheid im Großen und Ganzen an dieser Empfehlung orientiert und die Restaurierung dieses barocken Juwels hielt sich mit „Verbesserungen“ sehr zurück. Nun stand nach gut 120 Jahren intensiver Nutzung – der Wiesentheider ist vielleicht auch eingedenk der Tatsache, dass man mit gefalteten Händen nur sehr schlecht arbeiten kann, immer noch recht fleißiger Kirchengänger – wieder eine Renovierung an. 2010 nahm eindringendes Regenwasser eigenmächtig Veränderungen am künstlerischen Erscheinungsbild der berühmten Deckenfresken vor. Zeit zu handeln. Das Dach wurde fachgerecht instandgesetzt, die Außenfassaden einem Lifting unterzogen, womit die Voraussetzungen für die Innenrestaurierung geschaffen waren. Und das Innere von Sankt Mauritius ist ganz großes barockes Theater (für die Jüngeren unter den Lesern: „ganz großes Netflix“), wie es in Deutschland nur selten zu finden ist. Der Bauherr der Kirche, Graf Rudolf Erwein von Schönborn, wollte damals den Wiesentheidern, der Welt und vor allem seinen Brüdern zeigen, dass auch er ein kundiger Mäzen der schönen Künste sein kann. Ein ziemlich sportlicher Anspruch, wenn man an die Meßlatten denkt, die seine Brüder ziemlich hochgelegt hatten. Zwei davon initiierten als Fürstbischöfe die Würzburger Residenz, einer amtierte als baufreudiger Kurfürst in Trier und ein weiterer gab als Speyrer Fürstbischof Schloss Bruchsal in Auftrag. Und zu allem Überfluss war Onkel Lothar Franz zu Lebzeiten nach eigener Diagnose vom „Bauwurm“ befallen, was sich als „Krankheitsbild“ in Form von Schloss Pommersfelden heute noch leicht überprüfen lässt. Da war der miserable Zustand der alten Wiesentheider Kirche geradezu eine Einladung dort, dem Schloss gegenüber, ein künstlerisches Ausrufezeichen zu setzen. 1727 begannen die Bauarbeiten nach Plänen von … ja, von wem eigentlich? Irgendetwas muss vom damals schon als etwas altmodisch geltenden Antonio Petrini gestanden haben. Balthasar Neumann, der Baumeister der Würzburger Residenz, beschriftete eine Zeichnung mit Kürchen faciata von Wiesenthaid mit seinen thurn – leider steht nicht dabei, ob es auch zur Gänze sein Entwurf ist. Außerdem kommt noch der wackere Wiesentheider Werkmeister Johann Seitz, der später Hofbaumeister in Trier wurde, ins Spiel – seine Entwürfe waren aber wohl ein zu großes Attentat auf den Etat. Wer auch immer die sehr repräsentative Kirche plante, er sei gepriesen, aber für den Ruhm des Gotteshauses sorgte ein anderer, denn erst die Ausmalung der Kirche durch den Freskanten Giovanni Francesco Marchini ließ den Bau zu einem Gesamtkunstwerk in echt barockem Geist werden. Wenn sein Name für moderne Ohren vielleicht ein wenig nach Zauberkünstler oder Zirkusdirektor klingt, erzeugt dieser Klang nicht gänzlich falsche Vorstellungen. Gleich einem Zirkusdirektor gelang es ihm virtuos die unterschiedlichsten Athleten, pardon Künstler, in einer Manege zu harmonisieren. Und ein Zauberkünstler war er allemal, hatte er doch mit seinen Fresken einen stinklangweiligen Saalraum in ein himmlisches Theater, in ein Fest der Architektur und eine überwältigende Illusion verwandelt. Ich nenne ihn fortan nur noch den „Großen Marchini“! Und im wahren Wortsinne groß ist sein Werk: 3000 Quadratmeter überzog der Meister vom Comer See, der Schüler des bedeutenden Lehrmeisters der Quadraturamalerei, Andrea Pozzo, in zweijähriger Arbeit mit großartigen Architekturszenerien, die es dem Betrachter unmöglich machen, darunter die reale Architektur zu erkennen. Zum Glück! Die Decke ist nämlich kein Gewölbe, sondern eine flache Spiegeldecke aus Lattenrost, Kälberhaaren und verstärktem Kalkputz, auf die der Meister eine Illusion der Kuppel des römischen Petersdoms und eines himmlischen Thronsaals unter weitem Himmel entstehen ließ. Einfach grandios. Nicht minder grandios war auch die einfühlsame Restaurierung 2013 – 2017. Bis zu 5 Millimeter Staub und Schmutz hat man mit engelsgleicher Geduld von diesen 3000 Quadratmetern entfernt, dabei auch noch „Verbesserungen“ von 1895 entfernt und nun überwältigt Machinis Werk wie bei seiner Fertigstellung 1730. Unbedingt sehenswert!

Und unbedingt auch in heutiger Zeit in vielen Fällen beherzigenswert: „Nichts verbessern wollen! Es genügt, wenn nichts verdorben wird!“