Während man an Frankfurts Goetheturm noch bei der Problembeschreibung ist, hat man im schwäbischen Albstadt bereits eine Lösung gefunden. Der Pizzakarton, der kulinarische Faltsarg für das warme belegte Brot aus Italien, ist nun schon viele Jahre beliebtes gestalterisches Element zur Aufwertung eintöniger Fußgängerzonen und langweilig bepflanzter öffentlicher Parkanlagen. Der Bürger entfaltet hier oft ungeahnte Kreativität! Und dabei hatte alles so harmonisch und unauffällig begonnen. Es war in der Elefantengasse, wo in den Fünfzigerjahren amerikanische Soldaten gerne einkehrten und bei ihren Bestellungen verführt vom Wert ihrer kraftstrotzenden Dollar und in Überschätzung ihrer peristaltischen Möglichkeiten gerne mal die ein oder andere Pizza zu viel bestellten. Bezahlte Pizza wegwerfen? – zu schade. Warum nicht den Rest für den Rückweg oder den Morgen danach aufheben? Es musste also eine Transportverpackung her, die der platzgreifenden Delikatesse gerecht wird, und so erfand ein gewisser Nicolino di Camillo im Jahr 1952 den Pizzakarton. Das geschah in Deutschlands erster Pizzeria namens „Sabbie die Capri“ in Würzburg.

Foto: Sebastian Karl

1963 gab es dann ein Patent darauf und heute ertrinkt Deutschland in einer Flut dieser mehr oder weniger originell bedruckten Kartons, die schon ab 12 Cent pro Stück zu haben sind, vorausgesetzt man möchte sich nicht als Umweltfreund hervortun und einen Mehrwegkarton ab 4,90 Euro erstehen. Vielleicht wäre ja Pfand eine Lösung … 

Eigentlich ein dankbarer Diskussionsgegenstand für einen spätabendlichen Debatierzirkel des Markus Lanz. Es ließen sich sicher kompetente Fachleute zur Lösung dieses Problems finden. Karl Lauterbach zum Beispiel könnte hilfreiche Anmerkungen zur Belastung dieser Verpackungen mit problematischen Inhaltsstoffen, die dann wiederum zu problematischen Belastungen unseres Gesundheitssystems führen könnten, beisteuern – natürlich unter besonderer Berücksichtigung des Faktors Salz. Richard David Precht wäre sicher bestens geeignet, die banale Diskussion um die Pappschachteln in einen philosophischen Diskurs über das Woher, das Warum und das Wohin des menschlichen Daseins zu veredeln. Sarah Wagenknecht könnte anschaulich ausführen, warum sie, wie wir alle, eigentlich keine Ahnung von dieser Problematik hat, aber trotzdem schon mal dafür plädiert eine „Reichensteuer“ einzuführen. Wichtig ist auch, Karton hin oder her, dass die Pizza ihren Knusperfaktor russischem Gas verdankt. Und Norbert Röttgen wüsste bestimmt, ob wir uns in Deutschland bei der Lösung dieser Frage einen Alleingang überhaupt leisten können, ob das Vorgehen mit den NATO-Partnern abgestimmt werden sollte und wie sich eine wie auch immer geartete Lösung auf das komplizierte Geflecht internationaler deutscher Wirtschaftsinteressen auswirken wird. 75 Minuten ohne Kühlschrank- oder Toilettenvisite wären garantiert!
Vielleicht schaut man aber auch einfach nur in den Albstädter Stadtteil Ebingen. Dort hat die heimatliche Volksbank offenbar schon eine Lösung für dieses Problem gefunden: Umwandlung in dauerhafte Architektur. Ab 8,89 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter kann man dann in einem Kompartiment dieses phantastischen Projekts logier, das nach Dafürhalten des Investors überzeugt, weil „die Geschosse mit einer Verdrehung von 15 Grad angeordnet sind“. Ein städtebaulicher Geniestreich und ein geradezu wildes Aufbegehren einer sich nach Entropie sehnenden Kreativität, die gegen die langweilige Felsenstatik der Schwäbischen Alb einen Kontrapunkt setzt. Wer sich beeilt, kann noch eine Wohnung ergattern. Viele sind aber schon vergeben und die Klingelschilder der neuen Mieter passen bestens zu diesem Bau: Quattro Stagioni (eigenwilliger Vorname), Frutti di Mare (wahrscheinlich ein Adeliger) oder eine gewisse Margherita … Gewerbe?